Liebe deinen Nächsten wie dich selbst
Ich und Du
Kein Wort wird so inflationär gebraucht wie die Worte „Liebe“ und „Nächstenliebe“. Doch wo erfahren wir gelebte Nächstenliebe? In unserer Welt scheint hauptsächlich das „Ich“ zu zählen. Auf dem Herz im Bild, das ich gefunden habe, stehen die Worte „Du & Ich“ – das drückt Verbundenheit aus, wie es eben zur Liebe – etwa in einer Partnerschaft - gehört. Auffällig ist, dass hier zunächst das „Du“ genannt wird. „Du und Ich“ - daraus wird dann ein „Wir“. Mir gefällt das Wort von Martin Buber: „Der Mensch wird am Du zum Ich“. Vielleicht sollten wir das Gebot der Nächstenliebe (zu dem unverzichtbar die Gottesliebe gehört) auch so betrachten: Wir brauchen ein „Du“, ein Gegenüber, um uns selbst zu erkennen, zu entdecken, zu entwickeln, zu verschenken und zu entfalten, und letztlich auch, um korrigiert zu werden, uns immer wieder zurückzunehmen. Und wir brauchen auch das „göttliche Du“, das uns helfen soll, in der Selbsterkenntnis, in der Barmherzigkeit, die unbedingt zur Liebe dazu gehört, zu wachsen. „Stets die Liebe im Herzen wachhalten“ – so hat es Angela formuliert, und daraus geht ein großer Anspruch hervor: All unser Sprechen, Handeln und Denken soll durch diese Liebe stets denen zum Nutzen sein, die mit uns Umgang haben.
Martin Buber übersetzt das Liebesgebot „Liebe deinen Nächsten, denn er ist (Mensch) wie du.“ Vielleicht hilft uns diese Übersetzung, statt einem (zu) häufigen „Ich“ mehr auf das „Du“, auf unseren Nächsten, zu achten und dabei nie zu vergessen, dass wir alle oft eben auch schwache Menschen sind.
Text: Sr. Johanna Ankenbauer OSU, Würzburg
„Vielmehr sollen all unsere Worte, Handlungen und Absichten
immer denen, die mit uns Umgang haben,
zur Ausrichtung und zum inneren Nutzen dienen,
indem wir stets die Liebe im Herzen wachhalten.“
Angela Merici, Regel, Kapitel 9
Bild: Pixabay
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