Angelakreis 2009 in Erfurt

13. – 15. November 2009 in Erfurt

Thema: „Gehorsam“

Zu einer vierten Begegnung traf sich der Angelakreis dieses Mal in Erfurt. Wir waren 18 Teilnehmerinnen, davon 7 Ursulinen aus unterschiedlichen Gemeinschaften.

Für diese Tagung hatte sich die Gruppe im vorigen Jahr für das Thema „Gehorsam“ entschieden.

Dieses nicht leichte Thema erschlossen Sr. Lucia und Ute,  zwei Teilnehmerinnen aus dem Herseler Kreis. Sie bereiteten die Tagung vor und führten die Gruppe inhaltlich und methodisch sensibel sowie gut durchdacht durch die Tage.

Wie bei allen Treffen hatten wir auch in Erfurt die Möglichkeit, mit der Schwestern-gemeinschaft am Chorgebet teilzunehmen.

1. Hören

Sr. Lucia lud uns ein zu einer Vorstellungsrunde besonderer Art. „Gehorsam“ ist semantisch ja eng verwandt mit „hören“. Sie gab uns ein paar Minuten Zeit, ein kurzes Statement zu unserer Person vorzubereiten unter den Leitfragen:

  • Was höre ich gern?
  • Welche Klänge / Empfindungen verbinde ich damit, wenn ich meinen Namen höre?

Bei der anschließenden Aussprache kamen ganz viele Aspekte und Bedingungen von Hören zum Ausdruck. Der Übergang zu unserem Thema „Gehorsam“ geschah durch den Denkanstoß: „Wo in meinem Leben habe ich wichtige Erfahrungen mit Gehorsam oder dessen Gegenteil gemacht?“ So wurde dieser erste Abend zu einer Möglichkeit, uns intensiv kennen zu lernen und uns auf unser Arbeitsthema einzustimmen. Als Abschluss hatten Sr. Lucia und Ute ein Abendlob auf einem Textblatt mit eindrucksvollem Bild  vorbereitet.

2. Wahrnehmen, agieren und reagieren

Nach dem Morgenlob war der Samstagvormittag unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Körperübungen gewidmet, die uns bewusst machen sollten, was wir wahrnehmen und wie wir reagieren.

Die Fülle von Aspekten zu Gehorsam möchte ich hier mit einigen Begriffspaaren benennen:

  • bewusste freie Entscheidung – Gefühl von Abhängigkeit, Zwang
  • Nähe, Vertrauen – Abgrenzung, Distanz
  • Chance der Entfaltung – Enge

In einem sehr fundierten und doch durch viele Beispiele anschaulichen Kurzreferat zeigte Ute die vielfältigen positiven und auch eher negativen Ebenen von Gehorsam und menschlichem Verhalten aus psychologischer Sicht auf. Leitlinie war dabei das bekannte Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thurn (hier genannt: „Die vier verschiedenen Ohren“):

Sachebene - Selbstaussage – appellative Ebene – Beziehungsebene.

3. Gehorsamsgeschichten in der Bibel

Die vier Basistexte hatten wir noch am Vormittag durcharbeiten und uns in Kleingruppen dazu aufteilen können. Zur Bearbeitung standen an:

  • die Witwe von Sarepta (1 Kön 17, 10-16),
  • der Zöllner Zachäus (Lk 19, 1-10),
  • die Berufung der ersten Jünger (Mt 4, 18-22),
  • das Gleichnis vom anvertrauten Geld (Lk 19, 12-27).

Wir waren aufgefordert, uns im Gruppengespräch sehr persönlich mit der Art von Gehorsam in diesen biblischen Geschichten auseinanderzusetzen, einen Bezug zu unserer heutigen Lebenswirklichkeit zu suchen und unser Ergebnis in einer kreativen Form (Spielszene) dem Plenum vorzustellen.

Die Darbietungen der einzelnen Gruppen lösten intensive Gespräche aus über die teils problematischen, teils jedoch ermutigenden Facetten von Gehorsam, die in den biblischen Erzählungen deutlich werden. Ausgelöst und untermauert durch diese Einheit traten die anfangs geäußerten negativen Aspekte von Gehorsam für uns alle zunehmend in den Hintergrund. In unseren Blick rückte immer mehr die stärkende und befreiende Kraft von Gehorsam dem Ruf Gottes gegenüber.

4. Ordensgehorsam

Nach einer kleinen Pause begannen wir, uns einzeln oder in kleinen Gruppen mit drei Auszügen aus den Regeln des hl. Benedikt, des hl. Ignatius und Angelas zu beschäftigen. Beim Gedankenaustausch im Plenum waren wir uns sehr schnell darüber einig, wie klug Angela ihr Kapitel über den Gehorsam aufgebaut hat. Detailliert listet sie auf: kirchliche Institutionen, die Obrigkeiten der Gemeinschaft, staatliche Institutionen, denen die Töchter gehorchen sollen. Natürlich sind das wichtige Orientierungspunkte in den gesellschaftlichen Wirren der damaligen Zeit. Das alles aber gipfelt in dem Satz: „Vor allem [sollen sie] den Ratschlägen und Anregungen gehorchen, die der Heilige Geist fortwährend ins Herz gibt.“ Für Angela besteht Gehorsam also nicht oder in erster Linie in sklavischer Unterwerfung menschlichen Geboten gegenüber, sondern im beständigen aufmerksamen Hören auf Gott.

Um die bisher eher theoretischen Gedankengänge auf der Basis der drei Regeltexte in unsere heutige Lebenswirklichkeit zu übersetzen, waren wir zu einer inszenierten Podiumsdiskussion eingeladen: als Nichtchristin, zum Angelakreis Gehörende, Angela, Ursuline, Psychologin oder Vertreterin einer beliebigen weiteren gesellschaftlichen Gruppierung. Jede von uns konnte für kurze oder eine längere Zeit eine der Rollen einnehmen und mit einer der anderen Personen über ihr spezifisches Verständnis und den Wert von Gehorsam diskutieren.

Als Fazit dieser lebhaften Diskussionen lässt sich zusammenfassen: Richtig verstandener und praktizierter Gehorsam hat einen sehr hohen Wert. Er fordert die freie Entscheidung heraus und kann Orientierung, Stärke, Halt vermitteln auf einem bewussten Weg mit und zu Gott.

5. Meditativer Gang zum Thema „Gehorsam“

Sr. Lucia und Ute hatten auf dem Fußboden im Flur und im Tagungsraum einen Weg mit drei Stationen gestaltet. Jede von uns sollte ihn schweigend gehen und sich bei jeder Station so lange aufhalten, wie es ihrem Bedürfnis entsprach, um wahrzunehmen, die Gegenstände (der 1. Station) in die Hand zu nehmen, in sich hineinzuhören und über die auf einem Textstreifen beigefügten Fragen nachzudenken. Wer mochte, konnte auf einem Blatt einen zentralen Gedanken aufschreiben. Ende und Ziel des Weges war der Gebetsraum ein Stockwerk höher.

1. Station: Klangschale, Muschel, Stethoskop

Wie weit und wie tief reicht mein Hören und Zuhören?

2. Station: drei Kreuze

Wie weit ist mein Weg vom Hören zum Gehorchen?
Lasse ich mich in meinen eigenen Plänen stören?

3. Station: Labyrinth

Bin ich bereit, Christus nachzufolgen, wohin auch immer er mich führt?
Oder stelle ich Bedingungen?

Nachdem sich alle im Gebetsraum niedergelassen hatten, las Sr. Lucia in meditativer Weise die beim Unterwegssein formulierten Gedanken vor. Die abendliche Einheit mündete in ein Gebet, das ich hier wiedergeben möchte. Ich finde es sehr schön, weil es im Grunde all das zusammenfasst, was wir in diesen Tagen miteinander erarbeitet hatten:

Herr, wir bitten dich,
lass uns Hörende sein
in den einzelnen Situationen unseres Lebens,
ob du nicht von uns noch ein Stück von dem willst,
was wir Leben nennen,
um dich uns so noch mehr offenbaren zu können
und dich durch uns der Welt zu verkünden.

Herr, lass uns Hörende,
wirklich Gehorsame sein:
zu deiner Verherrlichung,
zum Heil der Menschen
und der ganzen Welt. Amen

6. Ausblicke und Feedback

Nach der Sonntagsmesse in der schönen Klosterkirche und Frühstück begann unsere Abschlussrunde wieder mit einem Morgenlob. Unsere Arbeit am Tagungsthema „Gehorsam“ war abgeschlossen, und daher war der Vormittag eher organisatorisch-planerischen Gesichtspunkten vorbehalten.

6.1 Angelakreis(e)

Bei der Frage nach der Suche nach einem neuen Namen ging die Tendenz in der Gruppe eher dahin, den bisherigen beizubehalten. Schließlich ist Angela die zentrale Person, deren Charisma uns zusammenführt!

Eine straffere Organisation erschien uns nicht erforderlich, denn es gibt zwei regionale Gruppierungen (Hersel, Eichsfeld), die sich öfters, teils sogar regelmäßig zu geistlichen Tagen treffen. Kontakte zu anderen Mitgliedern lassen sich per Telefon, Chat oder E-Mail leicht realisieren.

Als sehr wichtig wurde erachtet, eine geeignete Form zu finden, um uns nach außen hin zu präsentieren, damit andere Interessierte den Weg zu uns finden können. Viele Ideen und Anregungen dazu gab es, und manche Teilnehmerinnen erklärten sich bereit, über diese Frage in Kontakt zu bleiben, um nach einer praktikablen Struktur zu suchen. Sr. Brigitte wies auf die Seite „Angelakreise“ innerhalb der Ursulinen-Homepage hin, betonte aber auf Grund ihrer Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit: „Wirksame Medienpräsenz braucht Gesichter und Geschichten.“ Darin steckt der Appell, dass sich Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stellen.

Mich persönlich erfreute ganz besonders die Mitteilung, dass wir Angelakreis-Zugehörige ab jetzt auch zu den Januar-Tagungen der Ursulinen eingeladen sind.

6.2 Feedback

Gegen Schluss der Vormittagsrunde baten Sr. Lucia und Ute um ein kurzes Feedback. Wir hatten allen Grund, den beiden zu danken: für die sorgfältige Vorbereitung vielfältiger Aspekte zum Thema „Gehorsam“, die straffe, aber dennoch dem eigenen Nachdenken und Nachempfinden Raum gebende Strukturierung in der Durchführung der einzelnen Einheiten, dem Einsatz unterschiedlichster Methoden. Genau mit diesem Punkt hatten manche von uns auch das eine oder andere Problem, aber das Sich-Einlassen auf solche kreativen Methoden wie Körperwahrnehmung oder produkt-orientiertes Arbeiten wurde übereinstimmend als wertvolle Erfahrung bezeichnet.

Erfüllt von großer Dankbarkeit für wertvolle Begegnungen und reiche Erfahrungen an diesem Wochenende, gingen wir zum letzten Mittagessen, bevor es dann hieß, Abschied zu nehmen.

Ein ganz herzlicher Dank sei den Erfurter Ursulinen gesagt, insbesondere Sr. Katharina, Sr. Jutta und Sr. Clothilde, für die liebevolle Aufnahme und Begleitung in ihrem Kloster!

Text: Mechthild Klöppner
Fotos: Sr. Brigitte Werr, Mechthild Klöppner